Das Leben als Hirte in Rumänien – Eine Reise durch Landschaft und Geschichte

 | Kategorie: Fotografie, Portrait, Reportage

Liebe Leserinnen und Leser,

nach zwei Jahren intensiver Entdeckungsreise durch Rumänien möchte ich meine Eindrücke mit euch teilen. In dieser Zeit habe ich nicht nur die pulsierende Hauptstadt Bukarest und das idyllische Brașov in der Nähe der Karpaten erlebt, sondern auch eine tiefere Verbindung zu den Menschen und der Natur dieses faszinierenden Landes gefunden. Besonders geprägt hat mich mein Aufenthalt bei meinem Großonkel Ernö, einem Hirten in den rumänischen Bergen, der mich lehrte, was wahres Glück und wahre Erfüllung bedeutet.

Bukarest – Ein Stadtbild im Wandel

Meine Reise begann in Bukarest, einer Stadt, die in vielerlei Hinsicht wie ein offenes Buch erscheint. Sie ist ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart auf einzigartige Weise aufeinandertreffen. Bukarest ist eine Stadt im Wandel – viele der alten Gebäude, die noch aus der Zeit des sozialistischen Regimes stammen, sind mittlerweile stark heruntergekommen. Doch gerade dieser scheinbare Verfall verleiht Bukarest seinen ganz eigenen Charme. Man merkt sofort, dass diese Stadt mehr zu erzählen hat, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Was mich an Bukarest inspiriert hat, sind die Menschen und ihre Geschichten. Während meiner Zeit dort habe ich viele Straßenfotografien gemacht, die die Vielfalt und die Seele dieser Stadt einfangen. Es sind vor allem die älteren Menschen, die in den verwitterten Straßen und Plätzen ihre Spuren hinterlassen haben. Ihre Geschichten sind so alt wie die Stadt selbst und lassen einen tiefen Blick auf die bewegte Geschichte des Landes zu. In Bukarest wird die Zeit nie einfach stillstehen, und das ist es, was diese Stadt so lebendig macht.

Brașov – Im Herzen der Karpaten

Von Bukarest aus führte mich meine Reise in die Nähe von Brașov, einer Stadt, die wie ein Tor in die Karpaten wirkt. Hier, inmitten grüner Wiesen und hügeliger Landschaften, liegt das Heimatland meines Großonkels Ernö, der bereits seit mehr als 40 Jahren als Hirte arbeitet. In der Abgeschiedenheit dieses ländlichen Gebiets, weit weg von den modernen Annehmlichkeiten der Stadt, lehrte mich mein Großonkel, wie man mit wenig glücklich sein kann.

Er lebt in einer einfachen Hütte, die sich inmitten seiner Schafherde befindet. Ohne Wasseranschluss, ohne Strom, aber umgeben von einer unberührten Natur, die fast wie ein Paradies wirkt. Die Weiden sind endlos, die Luft ist frisch und klar, und die Stille wird nur vom sanften Blöken seiner Schafe und dem Rauschen des Windes unterbrochen. Es ist ein Leben im Einklang mit der Natur, das meinem Großonkel eine tiefe Zufriedenheit gibt, die ich selten in unserer hektischen, materialistischen Welt finde.

Das Leben der Hirten – Eine Tradition in der Natur

Das Leben meines Großonkels hat mich dazu inspiriert, mehr über das traditionelle Hirtenwesen in Rumänien zu erfahren. Hirten wie Ernö haben über Jahrhunderte hinweg die Natur respektiert und mit ihr gelebt. In dieser abgelegenen Ecke Rumäniens ist es nicht nur der Job, der den Hirten ihre Lebensgrundlage bietet, sondern auch eine Lebenskultur, die in den meisten Teilen Europas kaum noch zu finden ist.

Die Schafe sind nicht nur Nutztiere, sie sind ein Teil des Lebens. Mein Großonkel Ernö kümmert sich mit Liebe und Hingabe um die Tiere, füttert sie, schützt sie und sorgt dafür, dass sie bei jedem Wetter sicher sind. Jeden Tag verbringt er Stunden auf den Wiesen, beobachtet die Natur und führt einen Dialog mit der Landschaft. In diesen Momenten, so scheint es, ist er eins mit der Erde.

Für ihn gibt es keine große Sehnsucht nach materiellen Dingen. Die Freiheit, inmitten der Natur zu leben, das simple Leben ohne unnötige Ablenkungen, hat ihm eine Zufriedenheit geschenkt, die viele von uns in unserer modernen Welt kaum mehr kennen.

Rumäniens Landschaft – Der wahre Schatz des Landes

Die Landschaft Rumäniens ist unglaublich vielfältig und malerisch. Vom flachen Land der Walachei, über die sanften Hügel Transsilvaniens, bis hin zu den majestätischen Karpaten – hier hat die Natur so viele Facetten zu bieten. Beim Wandern und Fotografieren durch die Weiten der Landschaft habe ich immer wieder Momente der Ehrfurcht erlebt. Die Weite und Stille der rumänischen Berge vermitteln ein Gefühl der Freiheit, das nur wenige Orte auf der Welt bieten.

Die Wälder, die Wiesen, die Berghänge – sie sind nicht nur schön, sondern auch ein Teil der Geschichte des Landes. In jedem Baum, in jedem Felsen steckt eine Geschichte, die von Jahrhunderten des Wandels, der Arbeit und des Lebens zeugt. Die Natur in Rumänien ist nicht nur eine Kulisse, sondern ein lebendiger Teil der Identität des Landes.

Die Menschen Rumäniens – Stark und Stolz

Besonders beeindruckt hat mich die Wärme und Gastfreundschaft der Menschen, denen ich begegnet bin. In Rumänien trifft man immer wieder auf Menschen, die ihre Geschichten mit Stolz tragen. Sie sind stolz auf ihre Traditionen, auf ihre Kultur und auf ihr Land. Diese Menschen haben viel durchgemacht, doch sie haben nie ihre Würde oder ihren Humor verloren. Die Menschen auf dem Land, wie mein Großonkel, leben mit einer Verbindung zur Natur, die fast spirituell ist. Sie haben gelernt, mit wenig zu leben, aber dennoch reich an Erfahrungen und Erinnerungen zu sein.

Für mich ist das der wahre Reichtum eines Landes: die Menschen und ihre Geschichten. Sie sind es, die das Land lebendig machen, die dem Ganzen einen Wert verleihen, der weit über das Materielle hinausgeht.

Fazit – Ein Land voller Geschichte und Seele

Rumänien hat sich in den letzten Jahren immer mehr als ein Land der Vielfalt und Tiefe gezeigt. Ich habe gelernt, dass es nicht nur die großen Städte oder touristischen Highlights sind, die dieses Land ausmachen, sondern die Geschichten der Menschen, die in der Stille der Natur leben, in den Erinnerungen der Straßen Bukarests und in den alten Wäldern der Karpaten.

Wenn ich in die Kamera schaue und die Menschen vor meiner Linse sehe, dann sind es oft die Geschichten, die mich inspirieren – Geschichten von Stärke, von Überleben, von einer tiefen Verbindung zur Natur und von der Weisheit, die nur das einfache Leben vermitteln kann.

In einer Welt, die zunehmend von Hektik und Konsum geprägt ist, lehrt uns Rumänien, dass wahres Glück oft in den einfachsten Dingen zu finden ist. Die Menschen, die Landschaft, die Geschichten – sie alle erinnern uns daran, dass es mehr gibt als nur den nächsten Trend, mehr als nur den nächsten materiellen Besitz. Vielleicht ist es an der Zeit, uns wieder auf das Wesentliche zu besinnen.

Ich hoffe, dass meine Erfahrungen euch dazu inspirieren, die Schönheit und die Geschichten von Rumänien mit eigenen Augen zu entdecken – und vielleicht auch, wie mein Großonkel, den einfachen Luxus des Lebens zu schätzen.

Bleibt neugierig und offen für die Welt um euch herum.

Euer Edmund Isa

 

Foto ReportageHochzeit Fotografie in Scheibbs